So einfach und doch so kompliziert?
Ernährungspsychologie auf ein paar läppische Blogseiten herunterzubrechen, ist sicherlich für Insider dieses Themas ein Frevel. Aber genau das ist heute oft das Problem bei der präventiven Aufklärung: Bevor man einen heiklen und diffizilen Sachverhalt nicht akademisch-wissenschaftlich wirklich bis ins letzte Detail beleuchten kann, lässt man es lieber gleich bleiben, anderen eine Grundahnung zu vermitteln. Dabei wäre gerade im Bereich der Essstörungen oder kognitiv induzierten Fehlernährungen das 80/20- oder Paretoprinzip – philosophische Basis von READY TO WIN – perfekt anzuwenden: Mit ein klitzeklein wenig Information und Sensibilisierung könnten so Eltern etwa eine Anorexie-Gefahr bei ihrer (sportelnden) Tochter rechtzeitig erkennen. Daher im Folgenden – in aller Kürze und ohne Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit – ein paar faszinierende Einblicke.
Essstörungen : Fehlernährung
Wenn man von Essstörungen spricht, denken die meisten zuallererst an deren Auswüchse in die Breite – in Richtung BodyMassIndex (Körpergewicht in kg : Körpergröße im m²) jenseits von 30, 35 – Adipositas, die Fettleibigkeit. Meist vom Thema (indirekt) Betroffene haben auch den BMI von unter 16 im gedanklichen Visier: Untergewichtigkeit. In der Regel als Folge von Anorexie, also krankhafter Magersucht.
Der sogenannte Body Mass Index (kurz BMI) ist eine von mehreren Methoden, die angewendet werden, um das Gewicht einer Person einzuordnen. Der BMI erteilt Auskunft über das Verhältnis zwischen Körpergewicht und Körpergröße. Dadurch wird ein direkter Vergleich zwischen Personen möglich sowie eine grobe Bewertung des Ernährungsstatus. Werte zwischen 18,5 und 24,9 gelten als Normalgewicht. Zu beachten ist, dass der BMI nur bei Erwachsenen von 18 bis 65 Jahren aussagekräftig ist.
Essstörungen betreffen im Sinne von Mangelernährung aber durchaus auch Menschen, deren Quotient aus Körpergewicht und Körpergröße² unter normal- oder gar idealgewichtig eingeordnet wird, die sich aber dennoch fehlernähren.
Von Fehlernährung, aber Essstörungen spricht man deshalb, weil Ernährung mit all ihren Aspekten rund um Gesundheit (Ausgewogenheit der Vitalstoffe) und Hunger (dem eigenen wie global dem in der Dritten Welt) in das Revier der Ernährungswissenschaftler fällt, wogegen Essen = Appetit = Genuss = (Un)Lust eine Angelegenheit der Ernährungspsychologen ist.
Natürlich vermischt sich das sehr häufig: Jemand der adipös ist, hat in der Regel nicht nur eine Essstörung am Hals (nämlich quantitativ zu viel futtern in Relation zur körperlichen Bewegung), plus höchstwahrscheinlich auch eine Fehlernährung (Zufuhr qualitativ minderer, vitalstoffarmer und zu hoch verdichteter Kalorien).
Selbst auf den ersten Blick so vorbildlich lebende Zeitgenossen wie Vegetarier und Veganer sollten regelmäßig hinterfragen, ob ihre hehren Grundsätze (größtes Kompliment an dieser Stelle dafür, dass ihr keine Tiere esst!) einer Überprüfung sowohl der Ernährungswissenschaft als auch der Ernährungspsychologie in ganzheitlicher Hinsicht standhalten. Wer nämlich glaubt, unser angeschlagenes Gesundheitssystem auf die Dauer weniger zu belasten, weil er Fleisch weglässt und stattdessen Unmengen Käse zu sich nimmt, irrt. Und wer meint, sich selbst und seinem körperlichen Wohl Gutes zu tun durch den Umstieg auf Glutenorgien in Form von Seitanschnitzelsemmerln, auch der muss sich gefallen lassen, seine subjektiven Essgewohnheiten als objektive Essstörung unter die Nase gehalten zu bekommen.
Abspeisen mit Langzeitfolgen
Eine der entscheidendsten Phasen unseres ganzen Lebens stellt die sog. Imprint-Phase dar, welche die ersten sieben Lebensjahre umfasst. In dieser Zeit können Eltern unglaublich viel gut und richtig machen, um das weitere Leben ihres Kindes positiv zu formen. Und sie können unglaublich viel (mehr) falsch machen, um dieses negativ zu beeinflussen. Ernährungsmäßig und überhaupt. Gut gemeint, aber mit Sicherheit falsch gemacht, ist es, dem Kleinkind etwas zu essen oder zu naschen hinzuhalten, wann immer es weint oder schreit. Ganz klar, keiner will in unserer hektischen, lauten Zeit auch noch das Gebrüll des Nachwuchses länger als unbedingt notwendig ertragen. Also bekommt das Baby spätestens beim zweiten Quietscher die stillende (= still machende) Brust der Mutter und das Kleinkind immer dann, wenn es bei Geh- und Laufversuchen bis zum Heulen stürzt zum Trost bzw. zum Beruhigen einen Schlecker, ein Zuckerl, einen Fruchtzwerg oder sonstiges am besten süßes Zivilisationszeugs. Werden Schmerz, Unsicherheit, Müdigkeit, Stress, Langeweile oder Unlust (allesamt negative Gefühle, die Babies und Kleinkinder zum Wehklagen oder Plärren bringen) dermaßen mit Abspeisung kombiniert, so bildet sich im Laufe der Zeit eine neuronale Vernetzung im kindlichen Gehirn, die da lautet: Immer wenn ich negative Gefühle empfinde, bekomme (= brauche) ich was zum Futtern/Naschen.
Negative Gefühle werden so schon im Kindesalter zum Schlüsselreiz (Trigger) für Nahrungsaufnahme.
Hat der so programmierte Mensch im späteren Leben schlechte Stimmung (Kummer, Sorgen, Stress oder einfach nur miese Laune), führt sein erster Weg … genau … zum Kühlschrank oder zur Schoko-Lade – und damit zu nicht benötigten Kalorien.
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